Bowron Lake - Kanutour

1.-12. Oktober 2012                                                                                                 Autor: Beate

Zwei Abenteurer, ein Kanu und ein verrücktes Caribou

Gut genährt und etwas verwöhnt geht’s von Stewart weiter Richtung Süden. Wir wollen nach Rosswood. Dort lebt die Schweizer Familie Schönbächler. Sie sind vor 3 Jahren nach Kanada ausgewandert und haben sich von einem Kamerateam des Schweizer Fernsehen begleiten lassen. Dadurch wurden sie sehr bekannt und wir wollten mal vorbeischauen und etwas Käse mitnehmen. Wir hatten in Stewart B.C. Appenzeller Käse (importiert aus der Schweiz!) kaufen können. Als wir bei ihnen eintrafen, kam Hermann die Einfahrt hinunter gelaufen und begrüsste uns mit: „Ah, Hallo Nr. 164 und Nr. 165!“ Oha, da waren schon einige vor uns da… hm… blödes Gefühl! Wir sollen schon mal zum Haus hochfahren, er hätte jetzt keine Zeit. Wir wussten nicht so recht, ob wir nun stören oder nicht. Klar, uns würde es auch nicht gefallen, ständig gestört zu werden. Nach dem etwas holprigen Start, hatten wir dann doch noch einen sehr lustigen Abend. Die Aufgaben für den nächsten Tag waren schnell verteilt. Marc konnte sich nützlich machen, indem er den Service an einem der Autos übernahm und ich half Christine im Haushalt mit. Um den beiden nicht noch mehr Arbeit zu machen, schliefen wir im Dachzelt. Es war zwar ziemlich kalt (-1°C), aber am Morgen durften wir im Haus frühstücken und uns aufwärmen. Die beiden grossen Kinder verliessen schon kurz vor sieben am Morgen das Haus und fuhren ca. eine Stunde bis nach Terrace in die Schule. Sie werden erst gegen 17 Uhr zurück sein. Christine und ich putzten die übrig gebliebenen Pilze und verarbeiteten diese weiter. Marc war unterdessen mit dem Service fertig und die beiden Männer sägten Holz. Nach dem Mittag, während Alexandra (20 Mon. alt) schlief, arbeiteten Christine und ich im Garten. Drei grosse Erdbeerfelder galt es zu reinigen und abzuschneiden. Wir waren nach ca. zwei Stunden fertig. Währenddessen konnten wir uns sehr gut übers Reisen und Auswandern unterhalten (Nur damit keine falschen Gerüchte aufkommen: nein, wir wollen nicht auswandern!). Marc half nochmal kräftig mit den Holzplatz zu reinigen und somit war der Tag sehr schnell vorbei. Vielen Dank an die Familie Schönbächler, dass wir in euren Alltag hineinschauen durften. Wir haben uns sehr gefreut, euch etwas näher kennenzulernen. Leider haben wir nicht mal ein Bild von euch und uns gemacht. Hermann gab uns noch einen Tipp mit auf den Weg: „Geniesst den  Herbst in Kanada und fahrt nicht einfach schnell in den Süden!“

Somit ging es weiter Richtung Prince George und danach auf den Highway 97 Richtung Süden. Wir zweigten ab auf eine Backcountryroad (Forststrasse), diese führte uns zum Ahbau Lake. Dort schliefen wir eine Nacht und fuhren dann weiter Richtung Barkerville. Auf einen Rastplatz sahen wir einen grünen VW Bus. Jorge und Melissa aus Kolumbien waren schon vier Jahre unterwegs. Eigentlich wollten sie zu Beginn ihrer Reise nur ein halbes Jahr in Südamerika sein, aber dann kamen jeweils sieben weitere halbe Jahre dazu… Sie gaben uns ein paar nützliche Tipps für Mittel- und Südamerika. Wir werden sie vielleicht in Vancouver wieder treffen. Wir fuhren weiter Richtung Bowron Lake Provincial Park. Im Reiseführer lassen wir, dass man dort eine einfache Kanutour unternehmen könne. Als wir dort ankamen, lag der Bowron Lake spiegelglatt vor uns, strahlend blauer Himmel und eine unbeschreibliche Ruhe! Wir dachten beide: jetzt müsste man ein Kanu haben... Keine Menschenseele war da, alles wie ausgestorben. Die Saison war vorbei, vielleicht sind wir doch zu spät. Ein Mann war dann doch zu sehen, wir kamen mit ihm ins Gespräch. „Ja, ihr könnt ein Kanu mieten!“, sagte er. Wir konnten unser Glück kaum glauben. „Jetzt ist die beste Zeit für eine Kanutour. Ich selbst gehe auch lieber jetzt paddeln, als in der Hochsaison. Vor allem die Färbung der Bäume ist toll und die Ruhe - jetzt ist fast keiner mehr unterwegs.“, ergänzte er. Die kleine Runde folgt der Westseite und wieder zurück, wir würden ca. drei Tage benötigen. Für die grosse Runde würden wir ca. eine Woche brauchen. Ich sagte, wir seien Anfänger und hätten noch nie in einem Kanu gesessen. Er meinte, dass sei kein Problem. Wir entschieden uns, jetzt gleich eine Testfahrt zu machen und dann würden wir uns entscheiden, was wir wollen. Er brachte uns ein Kanu, Paddel und Schwimmwesten, gab uns sehr kurz ein paar Instruktionen und los ging’s. Wir glitten auf dem wellenlosen See dahin. Das Kanu bewegte sich praktisch geräuschlos, nur das Plätschern der Paddelschläge war zu hören. Uns war klar, dass wir dieses Abenteuer in Kanada unbedingt mitnehmen mussten. Am Abend packten wir ein paar Sachen zusammen, zählten für 8 Tage Essensportionen ab und verpackten alles in unsere wasserdichten Seesäcke (zum Glück hatten wir welche dabei).

In der Nacht schlief ich etwas unruhig. Mir gingen viele Fragen durch den Kopf. Kann man das Seewasser trinken? Wohin mit dem Essen in der Nacht, wegen der Bären? Sollten wir unseren Kocher mitnehmen? Schaffen wir die enorme Distanz zu paddeln? Wie funktioniert das mit den Trageetappen? Wie wird es sein in der absoluten Wildnis zu leben und zu schlafen? Hoffentlich geht das gut…

Am nächsten Morgen besprachen wir mit dem Vermieter noch einige wichtige Sachen und klärten unsere Fragen. Er brachte uns zum Startpunkt und zeigte uns wie man das Kanu auf den Rädern richtig platziert.

Nun lagen ca. 110 km Paddelstrecke, 11 km Portage (Trage- bzw. Fahretappen) und die absolute Wildnis vor uns.Gestartet wurde gleich mit der längsten Portage, 2.4km! Schnell kamen wir ins Schwitzen, so schoben und zogen wir unser Kanu erstmal durch den Wald. Am Kibbee Lake liessen wir es ins Wasser und paddelten in einer Sumpflandschaft einen schmalen Kanal. Die Berge der Umgebung und die herbstlich verfärbten Bäume spiegelten sich im Wasser. Der See lag wieder ganz ruhig vor uns. Das Wasser war grünlich und glasklar. Eine Wasserratte huschte unter unserem Kanu durch und wir hörten den Loon(Seetaucher) rufen. Die Stille der Natur ist ein sehr schönes Erlebnis. Die ersten drei Paddelkilometer waren geschafft und die nächste Portage war zwei Kilometer lang. Danach kamen wir zum Indianpoint Lake. Ungefähr auf der Hälfte des Sees gingen wir an Land und richteten unser erstes Camp ein. Als erstes genügend Feuerholz suchen, bevor es dunkel wird. Marc bewies sich an der Axt und ich bereitete alles für das Abendessen vor, gekocht wurde über dem Feuer. Die erste Nacht im Zelt war für mich sehr unruhig. Ich hörte etwas Grosses durchs Wasser stapfen, wahrscheinlich ein Elch. Der nächste Morgen begrüsste uns mit Nebel. Die nächsten beiden Tage verliefen ungefähr gleich. Wir standen meistens um neun Uhr auf und starteten gegen 11 Uhr. Meistens erreichten wir gegen 16 Uhr ein Camp. Einmal schliefen wir in einer schönen Hütte. Leider wussten diese Unterkunft auch einige Mäuse zu schätzen und es war für mich eine sehr unruhige Nacht. Marc hatte sich im Doppelstockbett wohlweislich oben einquartiert, er hatte einen guten Schlaf und schnarchte vor sich hin, während mit mir die Mäuse Verstecken spielten…

Am vierten Tag kamen wir an der Isacc Portage an, hier war ungefähr die Hälfte der gesamten Tour geschafft. Ein wunderschöner neuer Unterstand war hier erst einige Tage zuvor errichtet worden. Wir sassen in der Sonne am Fluss und machten Mittagspause. Da kreuzte ein Caribou (nordamerikanisches Rentier) auf der anderen Flussseite auf. Ein schöner grosser Bulle. Wir beobachteten ihn eine Weile bis er wieder im Wald verschwand. Wir packten unsere Sachen und schoben unser Kanu mal wieder durch den Wald. Nach einigen Metern sah Marc den Bullen erneut und auch dieser hatte uns bemerkt. Er sah direkt zu uns rüber und begann zu schnauben. Kein gutes Zeichen! Er kam zügig durch den Fluss auf unsere Seite und versuchte auf den etwas höhergelegenen Weg zu kommen. Wir machten Lärm und hofften ihn damit vertreiben zu können, aber nichts… Er war nur noch interessierter an uns. Wir wedelten mit dem Paddel und schrien ihn an. Nichts, er kletterte auf den Hügel über dem Weg und hatte nun die bessere Position. Angst machte sich breit. Als er kurz aus unserer Sichtweite war, schnappten wir uns das Kanu und liefen los. Das verrückte Caribou bescherte uns die schnellste je bewältigte Portage. Marc sagte hinterher, er wusste gar nicht, dass ich so schnell laufen kann… Wenn man muss, dann geht sehr viel!

Am Abend kamen wir wieder an einer Hütte an, dies war der Abend vor der Flussbezwingung. Jemand war schon in der Hütte, Kleider und Utensilien lagen herum. Wir trafen unseren ersten Mensch seit drei Tagen. Jim war 69 und er hatte nichts dagegen, dass wir auch dort nächtigten. Jim gab uns ein paar sehr wichtige Tipps, um einfacher zu paddeln und was man bei Strömungen beachten muss. Wir hatten einen schönen Abend am Lagerfeuer und er erzählte uns von seinen Abenteuern in der Wildnis.

Als wir am nächsten frühen Morgen alles zusammenpackten, kreuzte plötzlich eine Elchkuh im Camp auf. Sie schaute neugierig und ging weiter den See entlang. Diese Momente sind sehr eindrücklich. Ein so mächtiges Tier von so kurzer Entfernung zu sehen. Einfach toll!!! Nach der Paddeltheorie am Abend, übten wir ein wenig auf dem Wasser bevor wir gemeinsam den Fluss hinunterfuhren. Wenn man weiss was zu tun ist, macht es richtig Spass. Ich hatte echten Respekt vor dem Fluss. Wir folgten Jim und alles war sehr einfach. Der Lanezi Lake war bekannt für Gegenwind, daher sollte man diesen bis zum Mittag durchquert haben. Das Wasser war milchig, da der See von Gletscherwasser gespeist wird. Wir hatten keinen Gegenwind und er lag um 13 Uhr (4 1/2h und 21.1km später) hinter uns. Nach dem Lunch kamen wir zum Sandy Lake. Hier hatten wir nun aber starken Gegenwind und recht hohe Wellen. Jetzt wollte uns Jim eigentlich verlassen und zum Ostufer übersetzen, aber der Wind war zu stark. Um uns zu erholen gingen wir an Land und er zeigte uns ein paar sehr alte Zedernbäume im dicht bewachsenen Wald. Der Waldboden war bedeckt mit einer dicken Moosschicht, man lief wie auf Watte. Es nützte nichts, wir mussten den Kampf gegen den Wind und die Wellen wieder aufnehmen. Nach 11 km kamen wir völlig erschöpft auf dem Una Lake an. Meine Finger und meine Füsse spürte ich vor lauter Kälte kaum noch. Der längste Tag mit den meisten Paddelkilometer lag hinter uns! Wir waren 8 ½ h unterwegs und haben 33km hinter uns gelassen. Ich machte schnell ein Feuer um mich zu erwärmen. Am nächsten Tag war das Wetter etwas besser, aber bewölkt. Ohne Sonne war es schon empfindlich kalt. Um zum nächsten See zu gelangen, musste wieder eine Portage gemacht werden. Leider führte der kleine Fluss nicht genügend Wasser. Wir mussten aussteigen. Ein paar Müllsäcke dienten als Schutz vor dem kalten Wasser. Leider nicht lange. Wir hatten beide ziemlich nasse Schuhe und kalte Füsse. Wir paddelten 20 km zum nächsten Camp. Wir sahen wieder eine Elchkuh, diesmal aber mit Kalb am Seeufer.

In der letzten Nacht begann es zu regnen. Am Morgen hingen dichte Wolken über dem See und in den Bergen. Es regnete nicht sehr stark, aber konstant. Auf dem Bowron Lake wehte noch dazu ein fieser Wind, aber zum Glück nicht gegen die Fahrtrichtung. Wir hatten schnell eiskalte Hände und Füsse, dazu kam noch die Nässe der Kleidung. Ich konnte kaum noch paddeln, da die Arme immer schwerer wurden. Als kleine Ablenkung sahen wir einen Weisskopfseeadler und eine Elchkuh mit Kalb in ca. 20 Metern Entfernung. Beide schauten skeptisch als sie uns in unseren Ponchos vom Migros sahen…

Ich war absolut am Ende meiner Kräfte, als wir das Ende vom Bowron Lake erreichten. Auf unseren Patrol war Verlass. Er sprang sofort an und wärmte uns. Wir packten unsere nassen Sachen ein und fuhren los. Auf dem Weg zum Highway zurück, wurden wir für die Strapazen des Tages belohnt. Wir konnten unseren ersten Elchbullen sehen. Ein grosses Tier mit schönen grossen Schaufeln auf dem Kopf! Wow! Als wir anhielten verschwand er im Wald, sein Glück! Denn zwei Minuten später fuhren Jäger vorbei…

Auf der Suche nach einem warmen Zimmer mit Dusche, landen wir auf der Pen-Y-Bryn Farm. Paul ist sehr nett und weiss sofort was wir brauchen. Er bietet uns eines seiner Zimmer an. Vielen, vielen Dank dafür! Es ist wie im Paradies! Wir bleiben zwei Nächte und können die nassen, schmutzigen Sachen waschen und trocknen.

Das Fazit unserer ersten Kanutour: Das machen wir wieder!!!

Paddelkilometer: ca. 128km

Portage: ca. 11km

Gesamtzeit: 7 Tage

 

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